eLecture: Handy in der Schule (Projekt Virtuelle PH, Österreich)

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Am 23. Mai präsentierte Christian Gatterer insgesamt 6 Teilnehmern die Einsatzmöglichkeiten von Smartphones im Unterricht. Dabei handelt es sich um ein sehr aktuelles Thema, da Studien belegen, dass SchülerInnen heute immer häufiger über Smartphones verfügen. Dabei fällt in Österreich laut Aussagen des Referenten auf, dass besonders sozial schwache SchülerInnen immer häufiger ein Smartphone haben. Zudem wird in immer mehr Ländern von den Schulen laut Gesetz erwartet, dass der Umgang mit den neuen Medien aktiv in der Schule gelehrt wird.

Die Potenziale der Nutzung von Smartphones im Unterricht sind zahlreich: Smartphones sind multifunktional, dank der Möglichkeit, zu telefonieren und SMS bzw. per Facebook Nachrichten zu verschicken sind sie Kommunikationsmedium Nummer 1, aber auch zur Informationsbeschaffung und zur Produktion sind sie verwendbar. Außerdem identifizieren sich SchülerInnen durch Individualisierung mit ihrem Mobiltelefonen, die es ihnen erlauben, verschiedene Lebenswelten zu verbinden und disloziert und zeitunabhängig zu lernen – sofern man ihnen beibringt, wie sie ihre Smartphones zum Lernen verwenden können. Die Chancen von Smartphones liegen eindeutig darin, die zwei Lebenswelten der SchülerInnen, die Freizeit und die Schule, miteinander zu verbinden – zumal sie auch inzwischen immer mehr traditionelle Medien ersetzen können. Wir holen also durch das Einbinden von Smartphones in den Unterricht die Kinder dort ab, wo sie sich befinden und erziehen sie dazu, das Hilfsmittel, hier das internetfähige Handy, das sie sowieso in der Hosentasche haben, effektiv einzusetzen.

Vor der Verwendung der Smartphones im Unterricht sollten mehrere Dinge abgeklärt bzw. bedacht werden: Zuerst einmal sollte geklärt werden, welche SchülerInnen über ein Smartphone verfügen und über welches Modell. Ebenfalls sollte überprüft werden, ob es zum Beispiel die Möglichkeit gibt, den SchülerInnen in der Schule einen WLan-Access-Point zur Verfügung zu stellen. Ist dies nicht der Fall und kann auch aus bestimmten Gründen nicht bewerkstelligt werden, so bleibt nur die Möglichkeit, dass der Lehrer selbst einen mobilen WLan-Router mit einer Sim-Karte mit bezahlbarem Datentarif anschafft. Des Weiteren muss ein Verhaltenskodex erstellt werden, inklusive eines Maßnahmenkatalogs im Falle von Verstößen. Hier fände ich es besonders wichtig, sich im Kollegium auf eine einheitliche Regelung zu einigen, auch wenn dies vermutlich in der Praxis aufgrund sehr unterschiedlichen Einstellungen zur Verwendung von mobilen Endgeräten in der Schule (Stichpunkt: Handyverbot) eher nicht realisierbar ist. Bei der Planung der Unterrichtsstunden muss nicht nur eine Unterrichtsidee umgesetzt, sondern es sollte ein klares Ziel definiert werden. Dazu brauchen wir als LehrerInnen allerdings auch spezifisches Wissen, wie das um die äußerst reduzierte Aufmerksamkeitsspanne, die auf der besonderen Lernumgebung und der Reizüberflutung bei Verwendung des mobilen Internets auf einem verhältnismäßig kleinen Gerät basiert.  Dabei ist die Aufmerksamkeitsspanne der meisten Schüler durch die tägliche Reizüberflutung im Alltag in den letzten Jahren bereits stark gesunken. Somit kann zusammenfassend gesagt werden, dass nur wenn das Smartphone unter Hinzunahme didaktischer Überlegungen in den Unterricht integriert wird, ist der für seine Verwendung notwendige Mehrwert gegeben. Schließlich ist es auch unabdingbar, dass die notwendige Reflexionsphase, die sich nicht auf die technischen Aspekte der Verwendung des Handys beschränken darf, unbedingt sofort im Anschluss an die Aufgabe erfolgt.

Ideen, das Smartphone im Unterricht einzusetzen, gibt es viele: So kann eine Foto- oder Videostory mit dem Handy erstellt, QR-Codes können (z.B. als Hilfsmittel um mobil Aufgaben aufzurufen) verwendet werden, ebenso kann man Handy-Apps nutzen oder eine multimediale Dokumentation eines Projekts oder einer Veranstaltung anfertigen. Schließlich wäre es auch denkbar, das GPS des Smartphones einzusetzen, Podcasts mobil zu erstellen oder ein digitales Daumentkino zu produzieren. Bei all diesen – und noch vielen anderen – möglichen Aufgabenstellungen ist es jedoch meiner Meinung nach wichtig, darauf zu achten, dass die Verwendung des Smartphones nicht willkürlich erfolgt, sondern dass seine Verwendung einen konkreten und vor allem für die SchülerInnen erkennbaren Mehrwert hat. Könnte man die Aufgabe genauso gut am Computer erledigen, so sollte man die Idee lieber nochmals überdenken und sich fragen, wieso man dies nicht tun möchte.

Die Didaktik, die der Verwendung des Smartphones im Unterricht zugrunde liegt, sollte laut Herrn Gatterer die Technik thematisieren, sich an der Schülerzentrierung und dem selbstgesteuerten Lernprozess orientieren, neue Lernorte eröffnen und den Schüler, einen „digital native“, als Experten in den Vordergrund rücken, wobei der Lehrer, der lediglich ein „digital immigrant“ sei, zum Berater und Impulsgeber werde.

Was den letzten Punkt angeht, so möchte ich jedoch leise Zweifel äußern hinsichtlich der Definitionen „digital native“ bzw. „digital immigrant“. Für mich impliziert der Begriff „digital native“, dass die so bezeichnete Person das volle Spektrum der Anwendung von digitalen Endgeräten – also nicht nur deren Entertainmentcharakter, sondern auch ihre bewusste Anwendung als sehr effizientes Werkzeug – kennt und nutzt. Dies ist jedoch bei der heutigen Schülergeneration meiner Auffassung nach noch nicht der Fall, womit eher noch der Lehrer die Position des „digital natives“ inne hat als der Schüler. Somit ist es unsere Aufgabe als moderne LehrerInnen, unsere SchülerInnen mit all diesen Funktionen vertraut zu machen, sodass eventuell die nächste Generation von SchülerInnen tatsächlich als „digital natives“ angesehen werden kann. Natürlich gehe ich von meiner Position als  Lehrerin im ländlichen Raum in Deutschland aus, jedoch hege ich trotz allem große Zweifel daran, dass die „digital natives“ mehr als nur vereinzelt das Smartphone als mehr als ein nettes Spielzeug mit Spaßfaktor ansehen.

Des Weiteren könnte man die Idee des selbstgesteuerten Lernens kritisch hinterfragen. Natürlich ist es unser Aller Ziel, dass unsere SchülerInnen mit Freude in die Schule gehen und lernen wollen, jedoch teile ich aufgrund verschiedenen Erfahrungen inzwischen nicht mehr diese positive Sicht des Schülers sondern sehe sie als eine Illusion. Seien wir doch mal ehrlich: Ich nehme einen nicht zu vernachlässigenden Teil meiner SchülerInnen als Jugendliche wahr, die den Wert einer Allgemeinbildung keineswegs mehr zu schätzen wissen, die zuweilen die Zeit in der Schule Tag für Tag „absitzen“ und für die Schule ein notwendiges Übel ist, das eine Anstrengung von ihnen verlangt, die sie nicht zu investieren bereit sind. Dass Bildung allerdings immer mit einem gewissen Grad an Anstrengung verbunden ist (s.a. Josef Kraus: Bildung geht nur mit Anstrengung) scheint zunehmend in Vergessenheit zu geraten – und dies nicht nur auf Schülerseite… Somit ist die Idee, dass SchülerInnen tatsächlich dazu animiert werden können, selbstgesteuert zu lernen anstatt jede freie Minute als Freizeit und Spaßzeit zu verstehen, meines Erachtens utopisch.

Gerade aus dieser Tatsache heraus lassen sich auch mögliche Problematiken bei der Verwendung von Smartphones im Unterricht ableiten: es kann zu Störungen und unerlaubter Verwendung des Geräts kommen, ein leichtfertiger Umgang (z.B. Verletzungen des Urheberrechts oder des Rechts am eigenen Bild) sind vorprogrammiert und ein Informationsoverflow ist wahrscheinlich. Letzteres Problem kann man damit umgehen, dass man den SchülerInnen von Anfang an aktiv zeigt, wie sie diesem Übermaß an auf sie einströmenden Informationen Herr werden können. Den anderen genannten potenziellen Problemen könnte man zumindest versuchen entgegen zu wirken, indem man sie in den bereits früher genannten Verhaltenskodex mit aufnimmt. Besonders im Hinblick auf den Datenschutz und Urheberrechtsverletzungen dürfen wir davon ausgehen, dass es sich bei Verstößen keineswegs um böse Absicht handelt, sondern vielmehr um Unachtsamkeit oder Unwissen. Dies bedeutet für uns, dass wir dieses Thema ansprechen und die möglichen Konsequenzen vor Augen führen müssen. Nach wie vor gilt, dass die Einhaltung von vereinbarten Sanktionen bei Verstößen gegen die Regeln auch – und besonders – hier gewährleistet ist, da der Verhaltenskodex sonst als Farce geoutet wird. Eventuell kann auch darüber nachgedacht werden, den Verhaltenskodex  – sofern er schulintern allgemeine Gültigkeit haben soll – zusammen mit anderen Verhaltensregeln (Hausordnung, Computerbenutzung usw.) unterschreiben zu lassen und die notwendige Erlaubnis der Eltern ebenfalls global bereits bei der Anmeldung eines Schülers oder zumindest zu Beginn des Schuljahres im Zuge der meist erbetenen Erlaubnis, Bilder auf der Homepage veröffentlichen zu dürfen, einzuholen. Sofern die jeweiligen Genehmigungen und Regeln korrekt und präzise formuliert sind, alle Eventualitäten berücksichtigen und den jeweils gültigen rechtlichen Bestimmungen entsprechen, erspart dies allen Beteiligten Mehrarbeit, die keiner wirklich braucht.

Natürlich darf hier auch nicht vergessen werden, darauf hinzuweisen, dass von Smartphones bei falschem Umgang ein erhebliches Gefahrenpotenzial ausgehen kann – eine Tatsache, die gerne von den Medien ausgeschlachtet wird und mitunter zu starken Vorbehalten seitens der Eltern (und nicht nur der!) im Hinblick auf die Verwendung neuer Unterrichtsmethoden führen kann. Zu diesen Gefahren gehören (Cyber-)Mobbing, Stalking, Gewaltverherrlichung in Form von beispielsweise „Happy Slapping“-Videos, Pornographie, Posing (= aufreizende Fotos), Sexting (SMS mit sexuell orientiertem Inhalt), Abhängigkeit (von Spielen, sozialen Netzwerken usw.) und die Flucht aus der realen Welt in die virtuelle Welt der sozialen Netzwerke. Auch die Gefährdung der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen darf nicht vergessen werden, so z.B. durch die von den Handys ausgehenden Strahlen, jedoch auch Haltungsschäden, Augenprobleme und dergleichen.

Allerdings dürfte es für rational denkende Menschen klar sein, dass dieses von der „schönen neuen Welt“ ausgehende Gefahrenpotenzial es unabdingbar macht, bereits frühzeitig mit der Medienerziehung zu beginnen und die Gefahren und ihre Implikationen und Konsequenzen zu thematisieren. Denn durch ein Totschweigen der Gefahr wird sie sicherlich nicht gebannt.

Auch rechtlich gesehen fällt auf, dass die Gesetzeslage in verschiedenen Ländern zwar unterschiedlich ist, dass jedoch in all diesen Ländern die neuen Medien ihren Platz haben, was ihre gesellschaftliche Bedeutung ein für alle Mal beweisen sollte. So gibt es fast überall mittlerweile Anti-Stalking-Gesetze, die auch das Cyberstalking nicht unberücksichtigt lassen, die Privatsphäre wird ebenso geschützt wie das Recht am eigenen Bild und die Jugend an sich.

Schließlich bleibt mir noch hervorzuheben, dass sich Smartphones im Unterricht – vorausgesetzt, dass ein wirklicher Mehrwert gegeben ist – z.B. im Frontalunterricht (Präsentation mit Taschenbeamer) und bei der Projektarbeit (Recherche, Kommunikation), sowie in Verbindung mit den unterschiedlichsten Sozialformen (Partnerarbeit, Gruppenarbeit usw.) einsetzen lassen. Mit anderen Worten: „Your imagination is the limit“.

Nachfolgend sollen noch zwei konkrete Beispiele für die Verwendung von Smartphones im Unterricht vorgestellt werden:

1. Lernen mit Karteikarten (Fremdsprachen und Sachfächer) & gFlash+

Diese Methode bietet sich an, wenn man selbst die Karteikarten auf möglichst einfache Art und Weise erstellen möchte. Es ist lediglich nötig, bei GoogleDrive ein neues Dokument zu erstellen (Tabelle) und dort die Fragen und Antworten in verschiedene Spalten einzutragen. Neben einfachen Wortgleichungen kann man auch z.B. Multiple Choice-Fragen erstellen und auch Audio- und Videodateien können hinzugefügt werden. Da die Handhabung von GoogleDrive sehr einfach und kostenlos ist, können auch SchülerInnen (z.B. arbeitsteilig übers Schuljahr hinweg) die Karteikarten erstellen.

Wenn das Dokument fertig ist, dann wird es mit der Emailadresse gwhizmobile@gmail.com geteilt und kann im Anschluss daran mit der für die gängigen Betriebssysteme (Android, iPhone…) erhältlichen App gFlash+ heruntergeladen und lokal genutzt werden.  Besonders diese lokale Nutzung und die individuelle Erstellung halte ich für ein großes Plus. Nicht zu vernachlässigen ist jedoch auch die Möglichkeit, dass SchülerInnen die Karten selbst erstellen und die Karteikarten nur bestimmten Nutzerkreisen zugänglich gemacht werden können. Dies ist besonders wichtig bei lehrbuchverwandten Inhalten wie Vokabeln, da es sonst zu Problemen mit dem Urheberrecht kommen könnte.

2. Micromovies

Micromovies sind kleine Filme, die mit Hilfe der Handykamera erstellt werden. Zum Beispiel kann so ein neues Ende zu einem bekannten Film oder Werbespots gedreht werden. Der richtige Umgang mit dem Smartphone muss hier jedoch im Vorfeld thematisiert werden, da Handykameras bestimmte Eigenheiten (qualitativ nicht die besten Mikrofone, sodass man laut sprechen muss, Verwacklungsgefahr usw.) haben, denen man entgegen wirken sollte bevor sie zum Problem werden. Vor dem Dreh werden dann Kompetenzen wie Organisation eines Drehs (Rollenverteilung usw.) und das Schreiben des „Drehbuchs“ geübt, im Anschluss an den Dreh wird der Film noch bearbeitet, mit Vor- und Abspann versehen, was die Medienkompetenz weiter fördert. Natürlich muss auch hier das Thema Urheberrecht bedacht werden, da man z.B. bekannte Lieder aus den Charts nicht in seinen Film mit einbinden darf wenn geplant ist, diesen zu veröffentlichen.

Allerdings sehe ich bisher beim zweiten Beispiel – auch wenn ich es als sehr interessant ansehe – den wirklichen Mehrwert der Benutzung des Handys anstatt einer normalen videofähigen Digicam nicht ganz, da man mit der Digicam im Vergleich zu 90% der bisher verfügbaren Handykameras vermutlich ein qualitativ hochwertigeres Ergebnis erzielen würde. Geht es jedoch darum, die Filme auf eine bestimme Plattform hochzuladen und anschließend zu sharen (z.B. auf einem klasseninternen Blog mit anschließendem Wettbewerb), dann würde ich den Mehrwert des Handys als gegeben ansehen, da das Hochladen per Computer vermutlich weitaus mehr Aufwand bedeuten würde.

Weitere Informationen zum Thema „Handy im Unterricht“ findet man auf Handywissen und Saferinternet, sowie auf Klicksafe.

Insgesamt fand ich diese Fortbildung sehr bereichernd. Besonders gut hat mir gefallen, dass eine klare Struktur erkennbar war und der Referent mit Begeisterung hinter seinem Vortrag zu stehen schien und jederzeit flexibel mit Zwischenfragen umging.

Die Aufzeichnung der Fortbildung befindet sich im eLectures-Archiv.

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