Game-based Learning: Spielen für ein besseres Morgen

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Game-based Learning ist ein interessanter Ansatz, um das Lernen zukunftsorientiert zu gestalten und einen Erfahrungs- und Gestaltungsraum zu bieten, innerhalb dessen Kompetenzen entwickelt werden können.

In ihrem Buch „Reality is Broken“ identifizierte Jane McGonigal vier wichtige Merkmale, die Spiele definieren (McGonigal, 2011, S. 26):

  • Ziele, die „den Spieler:innen das Gefühl geben, dass sie eine wichtige Aufgabe haben“
  • Regeln, die „Kreativität freisetzen und strategisches Denken fördern“
  • ein Feedback-System, das „den Spieler:innen das Versprechen gibt, dass das Ziel definitiv erreichbar ist und […] Motivation liefert, weiterzuspielen“
  • freiwillige Teilnahme

Mit anderen Worten, „ein Spiel ist der freiwillige Versuch, unnötige Hindernisse zu überwinden“ (Suits & Hurka, 2005, S. 159). Neuere Spiele haben oft eine kontextualisierende Geschichte, aber ein Spiel muss nicht in eine Erzählung eingebettet sein, um ein gutes Spiel zu sein.

Spiele waren schon immer ein integraler Bestandteil der menschlichen Natur (Huizinga, 1987), weshalb sie definitiv Teil des Lernens sein sollten. Das Hook-Modell (Eyal, 2014) erklärt sehr überzeugend, wie intrinsische Motivation erreicht werden kann und wieso dies bei (Video-)Spielen wunderbar funktioniert, während es beim Lernen in der Schule nicht mehr so gut funktioniert.

Credits: Fabian Karg, angepasst von Stephanie Wössner | CC BY-SA 4.0 International

Wenn Spielende zum Spielen eines Spiels motiviert werden (zum Beispiel durch eine fesselnde Erzählung), stellen sie sich Hindernissen, die grundsätzlich selbstgewählt sind. Wenn sie ein gutes Spiel spielen, sind alle vier definierenden Merkmale von Spielen vorhanden und sie dürfen aus ihren Fehlern lernen, bis sie das Hindernis überwunden haben. Dadurch erhalten sie eine Belohnung, die für sie eine persönliche Bedeutung hat und die sie ermutigt, weiterzuspielen. Hier gibt es eine Verbindung zu den Themen Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit (Deci & Ryan, 2008). Infolgedessen spielen die Spielenden intrinsisch motiviert weiter, wählen anspruchsvollere Aufgaben und werden bald in einen Zustand des Flow eintreten (Csikszentmihalyi & Szöllösi, 2010), der mit tiefen Glücksgefühlen einhergeht. Dieses Gefühl ist auf Dopamin zurückzuführen, einen Neurotransmitter, der freigesetzt wird, wenn das Gehirn eine Belohnung erwartet (van der Linden et al., 2021), und auf Selbstwirksamkeit, Optimismus, Hoffnung und Resilienz (Luthans et al., 2007).

Auf den ersten Blick scheinen gute Spiele und das traditionelle Bildungssystem eine Menge dieser Merkmale guter Spiele zu teilen, die zu intrinsischer Motivation führen, aber bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass dies in der Theorie der Fall sein mag, aber in der Praxis ist es das nicht.

  • In der Schule ermutigen wir junge Menschen, sich einer bestimmten Herausforderung zu stellen, wir geben ihnen eine Note als Belohnung und – in einer perfekten Welt – wäre zu erwarten, dass diese Belohnung sie motiviert, weiterzulernen – selbst wenn es sich eigentlich um eine Bestrafung handelt.
  • In einem Spiel hingegen machen die Regeln für die Spielenden Sinn – oft, weil es eine zugrundeliegende Erzählung gibt, die das System erklärt –, Herausforderungen werden von den Spielenden selbst gewählt und die Belohnung, die sie erhalten, ist von persönlicher Bedeutung. Vor allem haben sie jedoch auch die Freiheit, einen selbstbestimmten Weg zu wählen, um die Herausforderung, die sie sich vorgenommen hat, zu meistern und so oft zu scheitern wie nötig, um Erfolg zu haben.

Vergleicht man beide Szenarien, merkt man schnell, wo der Unterschied liegt: In der Schule werden die Herausforderungen von einer übergeordneten Lehrkraft gesetzt, die Regeln werden vom System vorgegeben, z.B. Lehrpläne oder ein Wissenskanon, und machen möglicherweise keinen Sinn, weil sie eine kontextualisierende Erzählung vermissen lassen, und das Feedback ist von sozialer Natur. Anders als in einem guten Spiel ist hier keine Selbstbestimmung involviert und Lernende werden kontinuierlich für ihre Fehler bestraft. Dies führt im Grunde dazu, dass junge Menschen auf das Scheitern vorbereitet werden, weil ihre Aufmerksamkeit auf ihre eigenen Fehler gelenkt wird, anstatt ihre Talente zu feiern und zu fördern. Das erklärt auch, warum Eltern ihre Kinder oft praktisch zum Lernen zwingen müssen und kämpfen, um sie vom neuesten Computerspiel wegzubekommen.

Spiele sind nicht nur ein integraler Bestandteil des Lebens der späten Gen Z und Gen Alpha (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2023, S. 47), sondern die von Gamer:innen erworbenen Kompetenzen, die meist als Freizeitaktivität angesehen werden, können in vielerlei Hinsicht wertvoll sein (Bediou et al., 2018; Mitterer & Steiner, 2020). Sie können kognitiver, sozialer, persönlicher und sensomotorischer Natur sein und tragen auch zur Medienkompetenz bei (Donau-Universität Krems, 2018). Diese Fähigkeiten haben nicht nur „reale“ Auswirkungen auf das Leben (McGonigal, 2011; Katski, 2017), sondern sind auch zunehmend für Arbeitgeber:innen wünschenswert (Molloy, 2019). Darüber hinaus haben Spiele schon vor mehr als einem Jahrzehnt dazu beigetragen wissenschaftliche Rätsel zu lösen (Uehlecke, 2010) und die Entwicklung künstlicher Intelligenz enorm vorangetrieben (Luzgin, 2019). Selbst die Tatsache, dass Spiele die Welt verändern können, ist nichts Neues, wenn man Organisationen wie Games for Change betrachtet.

Game-based Learning bezieht sich grundsätzlich auf die Verwendung von – oft beliebten – Spielen zum Lernen. Es hat nichts mit Gamification (Deterding et al., 2011) oder Lernspielen bzw. Serious Games (Bedwell et al., 2012) zu tun. Es bezieht sich auch nicht notwendigerweise auf die Nutzung digitaler Spiele, wie man am Beispiel der Quest2Learn-Schule in New York sehen kann (Tekinbas et al., 2010). In diesem Artikel und ganz allgemein auf dieser Webseite wird der Begriff „Game-based Learning“ jedoch in der Regel verwendet, um auf digitales spielbasiertes Lernen zu verweisen.

Game-based Learning konzentriert sich auf die Entwicklung von Kompetenzen. Wissen wird sehr wahrscheinlich auch während des Spielens erworben, aber es ist nicht das Ziel des Spiels. Im Gegensatz zu Gamification und Lernspielen, die Spielende oft mit Punkten belohnen, die sie anhäufen können, um sich mit anderen zu vergleichen oder Fortschritte zu sehen, basiert spielbasiertes Lernen auf der Überzeugung, dass das Überwinden einer Herausforderung, die der Spieler oder die Spielerin bewusst gewählt hat, ihn oder sie glücklich macht und motiviert, weiterzuspielen, wodurch sich Kompetenzen entwickeln. Außerdem sind Spiele so konzipiert, dass Spielende aus ihren Fehlern lernen dürfen, anstatt wie im aktuellen Bildungssystem mit seiner Bewertungskultur bestraft zu werden.

Referenzen:

Bediou, B., Adams, D. M., Mayer, R. E., Tipton, E., Green, C. S., & Bavelier, D. (2018). Meta-analysis of action video game impact on perceptual, attentional, and cognitive skills.

Bedwell, W. L., Pavlas, D., Heyne, K., Lazzara, E. H., & Salas, E. (2012). Toward a Taxonomy Linking Game Attributes to Learning.

Csikszentmihalyi, M., & Szöllösi, I. (2010). Flow – der Weg zum Glück.

Deci, E. L., & Ryan, R. M. (2008). Self-determination theory.

Deterding, S., Sicard, M., Nacke, L., O’Hara, K., & Dixon, D. (2011). Gamification: Toward a definition.

Donau-Universität Krems. (2018). Game-Based Learning im Unterricht.

Eyal, N. (2014). Hooked: How to Build Habit-Forming Products.

Katski, G. (2017). How World of Warcraft can get you a job.

Luthans, F., Avolio, B. J., Avey, J. B., & Norman, S. M. (2007). Positive Psychological Capital.

Luzgin, R. (2019). Video Games as a Perfect Playground for Artificial Intelligence.

Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest. (2023). JIM-Studie 2023 – Jugend, Information, Medien.

McGonigal, J. (2011). Reality Is Broken.

Mitterer, K., & Steiner, J. (2020). Learning by Gaming: Bedeutung von Videospielen für die Persönlichkeitsentwicklung.

Molloy, B. D. (2019). How playing video games could get you a better job.

Suits, B., & Hurka, T. (2005). The Grasshopper: Games, Life and Utopia.

Tekinbas, K. S., Torres, R., Wolozin, L., Rufo-Tepper, R., & Shapiro, A. (2010). Quest to Learn: Developing the School for Digital Kids.

Uehlecke, J. (2010). Falten statt ballern.

Van Der Linden, D., Tops, M., & Bakker, A. B. (2021). The Neuroscience of the Flow State.

Bildquellen

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