In vielen Bildungskontexten ist es beinahe unsichtbar – und doch wirkt es täglich, still und hartnäckig: Adultismus. Die oft unbewusste Annahme, dass Erwachsene mehr wissen, mehr dürfen und mehr zählen als Kinder und Jugendliche, steckt tief in unseren gesellschaftlichen Strukturen. Und gerade weil Adultismus so selbstverständlich erscheint, wird er selten hinterfragt. Doch wer die Zukunft des Lernens mitgestalten will, muss diesen blinden Fleck erkennen – und aktiv etwas dagegen tun.
Was ist Adultismus – und warum ist er ein Problem?
Adultismus bezeichnet die systematische Bevorzugung Erwachsener gegenüber jüngeren Menschen. Er zeigt sich in Sätzen wie „Das verstehst du noch nicht“ oder „Wenn du mal älter bist, wirst du das schon sehen“. Er zeigt sich in der Machtverteilung zwischen Lehrkraft und Lernenden, in schulischen Regelwerken, die ohne Mitsprache der Betroffenen entstehen, und in Entscheidungen über Lebenswege, die Kinder und Jugendliche kaum mitbestimmen dürfen.
Adultismus ist keine bloße Unhöflichkeit – er ist strukturelle Diskriminierung. Und er verhindert genau das, was wir für eine zukunftsorientierte Lernkultur brauchen: Vertrauen in junge Menschen, Räume für Mitgestaltung und eine Kultur des Dialogs auf Augenhöhe.
Beispiele aus der Praxis – und was besser geht
In der Schule:
Eine Lehrerin liest laut einen Aufsatz vor – als abschreckendes Beispiel. Ohne Namen, aber die ganze Klasse weiß, von wem er ist. Der Schüler, um den es geht, sagt später nichts mehr im Unterricht.
👉 Stattdessen: Lernende in Feedbackprozesse einbinden, Stärken betonen, Fehler als Entwicklungschancen sehen. Feedback darf nie beschämen, sondern soll befähigen.
In der Ausbildung:
Ein Azubi schlägt im Teammeeting eine neue Lösung für ein Alltagsproblem vor. Die Antwort: „Da haben wir schon vor Jahren drüber nachgedacht, das bringt nichts.“ Der Vorschlag wird nie ausprobiert.
👉 Stattdessen: Azubis als Expert:innen ihrer Lernrealität ernst nehmen. Ihre Perspektiven sind aktuell, unverbraucht und oft näher an der Lebenswelt der Zielgruppe.
In der Familie:
Ein Kind will später ins Bett, weil es noch eine Idee zeichnen möchte. Die Eltern bestehen auf die feste Schlafenszeit, ohne das Bedürfnis des Kindes ernst zu nehmen.
👉 Stattdessen: Räume für Aushandlung schaffen. Auch Kinder haben ein Recht auf Begründung und Mitbestimmung – im Rahmen gemeinsamer Verantwortung.
In der Jugendbeteiligung:
Im Stadtrat werden Jugendliche zu einem „Kinder- und Jugendhearing“ eingeladen. Sie sprechen, die Erwachsenen nicken – und entscheiden später doch allein.
👉 Stattdessen: Beteiligung darf nicht symbolisch bleiben. Junge Menschen brauchen echte Entscheidungsbefugnisse und Rückmeldungen, was mit ihren Impulsen passiert ist.
In der Kita:
Ein Kind möchte nicht mit Fingerfarbe malen, sondern bauen. Die Erzieherin besteht auf den geplanten Ablauf.
👉 Stattdessen: Lernen ist individuell. Selbstwirksamkeit beginnt früh. Kinder brauchen Freiheit in ihren Ausdrucksformen und dürfen ihren Bildungsweg mitgestalten.
Adultismus abbauen heißt Bildung transformieren
Wer Lernen wirklich neu gestalten will, muss bereit sein, Autorität zu teilen. Nicht, um Kontrolle zu verlieren – sondern um Vertrauen zu gewinnen. Denn nur, wenn junge Menschen erleben, dass ihre Meinung zählt, dass sie Gestaltungsmacht haben und gehört werden, entwickeln sie die Kompetenzen, die unsere Gesellschaft dringend braucht: Verantwortung, Urteilsfähigkeit, Empathie, Kreativität.
Impulse für eine Zukunft ohne Adultismus
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Mitbestimmung ermöglichen: Klassensprecher:innen dürfen keine Feigenblätter sein. Es braucht echte Beteiligung – von der Raumgestaltung bis zur Themenwahl.
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Beziehung statt Belehrung: Wer auf Augenhöhe kommuniziert, schafft Vertrauen und öffnet Lernräume.
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Fehlerfreundlichkeit leben: Fehler sind Lernimpulse, keine Defizite. Auch Erwachsene dürfen ihre Haltung regelmäßig überdenken und auch selbst aus Fehlern lernen.
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Sprache reflektieren: Sprache prägt Wirklichkeit. Wer achtsam spricht, verändert Strukturen.
Zukunft beginnt mit Haltung
Es reicht nicht, Methoden zu modernisieren oder neue Technologien einzuführen. Zukunftsorientiertes Lernen ist eine Frage der Haltung. Junge Menschen als gleichwertige, lernende Personen zu begreifen, die ihre Umwelt mitgestalten wollen und können, stellt nicht nur Bildung auf neue Beine – es gestaltet eine andere Gesellschaft.
Adultismus ist nicht immer laut. Aber seine Folgen sind tiefgreifend. Wer hinschaut, erkennt ihn. Und wer ihn erkennt, kann ihn überwinden.
Die gute Nachricht: Die Zukunft ist gestaltbar. Und sie beginnt mit einer einfachen Entscheidung – jungen Menschen wirklich zuzuhören und sie mitentscheiden und mitgestalten zu lassen – so wie es auch das Sun Model of Co-Agency schon seit 2015 und die UN-Kinderrechtskonvention seit 1989 verlangt!
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