Zukunftsorientiertes Lernen: Der Balanceakt zwischen Individuum und Gesellschaft

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Dass ein Paradigmenwechsel im Bildungsbereich nötig ist und zukunftsorientiertes Lernen die zeitgemäße Bildung ersetzen sollte, steht außer Frage. Dies bringt eine Verschiebung des Fokus von der individuellen Entwicklung hin zur Gesellschaft wider und verdeutlicht die Spannung zwischen diesen beiden Perspektiven. Hier werfen wir einen genaueren Blick auf die Unterschiede zwischen zeitgemäßem und zukunftsorientiertem Lernen und wie sie sich in Bezug auf das Individuum und die Gesellschaft manifestieren, wobei die Sustainable Development Goals (SDGs) für die Gesellschaft und die Inner Development Goals (IDGs) für das Individuum eine zentrale Rolle spielen.

Zeitgemäßes Lernen: Der Fokus auf das Individuum

Beim zeitgemäßen Lernen liegt der Schwerpunkt auf dem Individuum und seiner persönlichen Entwicklung, sowohl beruflich als auch privat. Bildung zielt darauf ab, die individuellen Fähigkeiten und Kenntnisse zu fördern, um den Lernenden eine erfolgreiche Karriere und persönliche Erfüllung zu ermöglichen. Dieser Ansatz berücksichtigt zwar die Bedürfnisse des Einzelnen, vernachlässigt jedoch oft die gesellschaftlichen Herausforderungen und Verantwortlichkeiten.

Es gibt eine Reihe von Kritikpunkten gegenüber dem Konzept des zeitgemäßen Lernens, die über die Rolle der Digitalisierung und der Vernachlässigung der digitalen Transformation der Gesellschaft hinausgehen:

  • Lehrersteuerung: Traditionell sind Lehrkräfte die Hauptakteure im Bildungssystem und steuern den Lehr- oder Lernprozess. Damit ist das Lernen fremdgesteuert. Im zukunftsorientierten Lernen wird jedoch die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer neu bewertet. Anstatt als Wissensvermittler:innen zu fungieren, können sie eher als Lernbegleiter:innen und -gestalter:innen oder auch als Lernpartner:innen, die selbst lebenslang lernen, gesehen werden, die die Lernenden bei der Erkundung ihrer Interessen und individuellen Ziele unterstützen, nicht lenken.
  • Prüfungskultur: Die traditionelle Prüfungskultur legt oft den Schwerpunkt auf die Bewertung von Faktenwissen und reproduktiven Fähigkeiten. Dass dies heutzutage problematisch ist, hat spätestens die Ankunft von ChatGPT eindrücklich dargelegt. Beim zukunftsorientierten Lernen steht jedoch die Entwicklung von Fähigkeiten wie kritischem Denken, Problemlösung und Zusammenarbeit im Vordergrund. Diese können nicht mit standardisierten Tests evaluiert werden, sondern es benötigt begleitendes Feedback und die Fähigkeit, sich selbst kritisch zu reflektieren. Außerdem müssen neue Lernansätze in den Vordergrund rücken, die zukunftsorientiert ausgebaut werden können.
  • Lehrpläne: Traditionelle Lehrpläne sind oft stark auf festgelegte Inhalte und Lehrziele ausgerichtet. Im zukunftsorientierten Lernen ist es notwendig, Lehrpläne abzuschaffen, um personalisiertes Lernen zu ermöglichen, um den individuellen Bedürfnissen und Interessen der Lernenden, aber auch den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.
  • Kanon: Der traditionelle Bildungskanon konzentriert sich oft auf eine begrenzte Auswahl von Werken, Autoren oder Themen. Im zukunftsorientierten Lernen ist es wichtig, verschiedene Perspektiven, Kulturen und Stimmen einzubeziehen. Dies fördert ein inklusiveres und vielfältigeres Lernumfeld und trägt zur Entwicklung globaler Bürgerschaft bei. Ein Kanon ist somit in einer Welt, wie der unseren, nicht mehr realistisch – zumal er von Erwachsenen für die Kinder und Jugendlichen festgelegt wird, die unsere sich exponentiell entwickelnde Zukunft gestalten sollen. Dies ist also ein Widerspruch in sich.

Zukunftsorientiertes Lernen: Die Balance zwischen Individuum und Gesellschaft

Im Gegensatz dazu betont das zukunftsorientierte Lernen die Verbindung zwischen Individuum und Gesellschaft. Es erkennt an, dass die Entwicklung des Einzelnen untrennbar mit dem Wohl der Gesellschaft verbunden ist. Dieser Ansatz integriert die Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen, die globale Herausforderungen und Ziele für eine nachhaltige Zukunft definieren. Hierbei handelt es sich um eine klare Botschaft: Bildung sollte nicht nur auf die individuellen Bedürfnisse und Karrieren abzielen, sondern auch darauf, engagierte Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln, die aktiv zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beitragen.

Die SDGs sind ein Leitprinzip des zukunftsorientierten Lernens. Sie fordern Bildungseinrichtungen auf, die globalen Herausforderungen in das Lernen zu integrieren und Lernende dazu zu ermutigen, sich aktiv an Initiativen zur sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit zu beteiligen. Das zukunftsorientierte Lernen betrachtet Bildung als ein Instrument, um nicht nur persönliche, sondern auch gesellschaftliche Ziele zu erreichen.

Um das Gleichgewicht zwischen Individuum und Gesellschaft zu wahren, sollten auch die Bedürfnisse und Ziele des Einzelnen berücksichtigt werden. Dies ist der Zweck der Inner Development Goals (IDGs). Sie konzentrieren sich auf die persönliche Entwicklung, das Wohlbefinden und die inneren Stärken der Lernenden. Das zukunftsorientierte Lernen erkennt an, dass ein starkes Individuum eine wertvolle Ressource für die Gesellschaft darstellt und fördert die Entfaltung des individuellen Potenzials im Kontext der SDGs.

Das zukunftsorientierte Lernen fordert also einen Balanceakt zwischen der Förderung des individuellen Wachstums und der Verantwortung gegenüber der Gesellschaft. Es strebt danach, engagierte, kompetente und verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger heranzubilden, die in der Lage sind, die Sustainable Development Goals (SDGs) anzugehen. Dieser Ansatz repräsentiert einen Paradigmenwechsel in der Bildung und eine Antwort auf die komplexen globalen Herausforderungen unserer Zeit. Es erinnert uns daran, dass die Bildung nicht nur die Zukunft des Einzelnen, sondern auch die Zukunft der gesamten Menschheit gestaltet.

Bildquellen

  • Individuum vs. Gesellschaft: Dall-e
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