Game-based Learning: Spiele und Lernen (sozial- und neurowissenschaftlicher Hintergrund)

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Der Mensch, das Spiel und der Bildungsplan

Ganz allgemein gesprochen ist das Spielen ein universelles Phänomen, das seit jeher zur Menschheit gehört („homo ludens“) und es kann als kulturbildender Faktor angesehen werden. Damit ist das Spiel an sich keinesfalls eine Ablenkung von den „wichtigen“ Dingen des Lebens, sondern wir kehren vielmehr zur Natur zurück, indem wir (freiwillig) spielen.

Prinzipiell ist es so, dass Spiele dem Spieler die Möglichkeit geben, zu experimentieren, ohne Konsequenzen in der Realität befürchten zu müssen. Dadurch spielen sie oft kreativer und verlassen ihre vertrauten Denkweisen, um ein Problem zu lösen und im Spiel weiter zu kommen. Das heißt, dass man selbständig denken muss und zugleich Handlungsfreiheit besitzt. Je nach Art des Spiels lassen sich im Spiel gelernte Dinge auch in die Realität übertragen.

Dieser Aspekt des Problemlösens findet sich nicht nur im Bereich der Informatik (Bildungsplan Aufbaukurs Informatik : Zentrale Konzepte der Informatik / Problemlösen) im Bildungsplan wieder, sondern in den dem Bildungsplan übergeordneten Grundgedanken: erklärtes Ziel der Bildung ist es, verantwortungsbewusste und kompetente Bürgerinnen und Bürger hervorzubringen, die die (immer digitaler werdende) Gesellschaft aktiv mitgestalten können. Dieser Punkt findet sich im Übrigen bereits bei Friedrich Schiller wieder, der in seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ die Bedeutung des Spielens hervorhob und sich gegen Spezialisierung und Mechanisierung von Lebensabläufen aussprach. Und genau das ist mit zunehmender Digitalisierung auch der Fall, denn viele gleichbleibende Abläufe können zunehmend von Maschinen übernommen werden und die Rolle des Menschen wird mehr und mehr sein, aktuelle und sich verändernde Probleme zu erkennen und mit Hilfe der „4K“ (Kreativität, Kollaboration, Kommunikation und kritisches Denkvermögen)  unter Zuhilfenahme von Maschinen zu lösen.

Vom positiven Einfluss von Spielen auf das Individuum und die Gesellschaft spricht unter anderem Jane McGonigal.

Motivation & Lernen

Gemäß der Selbstbestimmungstheorie ist Motivation eins der wichtigsten Dinge für Menschen, sowohl im Bezug auf sich selbst als auch auf andere. Auch Lehrkräfte bemühen sich, ihre Schülerinnen und Schüler zum Lernen zu motivieren. Die drei ausschlaggebenden Faktoren im Bereich der Motivation sind Kompetenzen und das Gefühl des persönlichen Wachstums, Autonomie bzw. Handlungsfreiheit und eine Beziehung zu anderen Menschen. Diese drei Bedürfnisse werden alle von guten Spielen gestillt.

Laut dem Glücksforscher Mihaly Csikszentmihalyi beruht die Motivation, mit der man eine Aufgabe erledigt, außerdem auf dem sogenannten „Flow“-Erlebnis. Dieses kann nur entstehen, wenn man sich konstant zwischen Unterforderung („Bore-out“) und Überforderung („Burn-out“) befindet, wobei der „Bore-out“ schlimmer sei als der „Burn-out“.

Mihaly Csikszentmihalyi über das Phänomen „Flow“

Ein menschliches Gehirn kann bis zu 120 mbit/s an Informationen verarbeiten. Wenn diese Kapazität des Gehirns ausgereizt wird, konzentriert man sich und bleibt mit Interesse an einer Sache. Zuhören benötigt jedoch beispielsweise lediglich eine Verarbeitungsgeschwindigkeit von 60 bit/s, was erklärt, wieso viele Menschen sich noch parallel mit etwas anderem beschäftigen, während sie einem Vortrag lauschen. Mit anderen Worten ist also Motivation eine individuelle Angelegenheit, die sich im Bildungsplan unter dem Begriff des personalisierten/individuellen Lernens wiederfindet.

Befindet man sich im „Flow“, vergisst man also Raum und Zeit, weil die Beschäftigung mit einem bestimmten Thema die Kapazität des Gehirns vollkommen ausreizt und alles andere nebensächlich werden lässt. Genau dann wird die Bildung von Botenstoffen stimuliert, die nötig sind, um Informationen zu transportieren, das heißt um zu lernen. In diesem Zustand des „Flows“ ist der Prozess des Lernens wichtig und nicht dessen Ergebnis (z.B. eine gute Note). Erfolgreiches Lernen entsteht dann, wenn man gefordert wird, scheitert und das Problem, an dem man zuerst einmal gescheitert ist, lösen möchte. Somit ist Bildung nur mit Spaß erreichbar, der wiederum auf dem Meistern einer Herausforderung beruht.

Dieses Gefühl, dass etwas Spaß macht, resultiert aus der mit dem Erfolg verbundenen Dopaminausschüttung, die zu Glücksgefühlen und damit Spaß führt. Dopamin wird durch eine unerwartete Herausforderung und in Erwartung einer Belohnung ausgeschüttet, es geht also nicht primär um den Wettbewerb, sondern um das direkte Feedback über die eigene Leistung. Zu bedenken ist hier auch, dass man die Dopaminausschüttung nur dann bemerkt, wenn man sein eigenes Grundlevel überschreitet, womit also eine individuell steigende Herausforderung zum konstanten Lernen dazugehört, was erneut auf die Grundidee des personalisierten Lernens verweist.

Robert Sapolsky über Dopamin

Bildquellen

  • Wissenschaftlicher Hintergrund: Pikist | Pikist
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