Das Metaverse

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Der Begriff des „Metaverse“ (dt.: Metaversum) geht zurück auf den Science-Fiction-Roman „Snow Crash“ von Neal Stephenson aus dem Jahre 1992. Das Metaverse ist – unter Berücksichtigung verschiedener, allgemein anerkannter Definitionen – eine Art kollektiver virtueller Raum, der mit der physischen Welt verwoben ist und u.a. virtuelle Welten, die erweiterte Realität (Extended Reality) und auch das Internet beinhaltet. Manche Menschen sprechen auch davon, dass das Metaverse das nächste Internet wird.

Das Internet umfasst neben dem mobilen Internet (Smartphones) auch neue Trends wie das Internet of Things, das Internet of Places, die Blockchain und NFTs. NFTs, also Non-Fungible Tokens, sind vereinfacht gesprochen virtuelle Güter, die von verschiedenen Blockchains unterstützt werden, auf denen dezentral Besitzverhältnisse dokumentiert sind.

Die Idee eines digitalen Universums jenseits des physischen Universums gibt es jedoch schon etwas länger, nämlich seit Mitte der 1980er-Jahre, als der erste Vorläufer des Metaverse im Videospiel Habitat auftauchte. Weitere bekannte Beispiele sind Massively Multiplayer Online (MMO)-Rollenspiele wie World of Warcraft und virtuelle Welten wie Second Life (2003). 2018 begegneten wir dem Konzept schließlich in dem auf dem gleichnamigen Roman basierenden Film Ready Player One.

Was das Metaverse von diesen früher Vorläufern und  auch relativ bekannten Spielen abgrenzt, ist die Tatsache, dass es sich bei ihnen um singuläre 3D-Welten handelt, die oft einen Spielezweck haben. Lediglich Second Life war als Teil des Metaverse konzipiert, auch wenn es dieses Ideal bisher nicht erreicht hat, seiner Zeit weit voraus war und heute nur in bestimmten Nischenbereichen, wie zum Beispiel der Bildung, noch floriert. Während virtuelle Spielewelten also mitunter einen begrenzten Zweck haben, besteht das Metaverse aus den verschiedensten dreidimensionalen Welten, die koexistieren, interoperabel sind, und es hat einen immanenten sozialen Charakter. Die Nutzer gestalten das Metaverse in Form ihres jeweiligen Avatars nicht nur mit, sondern ein Teil ihres privaten und professionellen Lebens spielt sich dort ab. Das Metaverse ist somit nicht eindeutig zu trennen von der physischen Welt, sondern mit ihr verwoben. Damit gehört neben dem sozialen und gestalterischen Aspekt auch der Online-Handel selbstverständlich zum Metaverse, denn alle drei kennen wir bereits aus unserem „realen“ Alltag, den das Metaversum erweitern will.

Neben Second Life könnten auch singuläre Spielewelten wie Roblox, Minecraft, Minetest, OpenSIM, AltSpaceVR, Sinespace, VR-Chat und Sansar sowie High Fidelity und Spiele wie Animal Crossing: New Horizons eines Tages Teil des Metaverse werden – vorausgesetzt, die Interoperabilität wird möglich, beispielsweise, indem man seinen Avatar, seine digitale Geldbörse (Wallet) oder seine digitalen Besitztümer (NFTs) von der einen Meta-Welt in die andere mitnehmen kann. In Planung sind weitere virtuelle Welten wie Horizon Worlds, Fortnite und Microsoft Mesh, die sich dem Metaverse langsam annähern könnten.

In aller Munde ist das Metaverse (einmal wieder) durch Berichte über ein Gespräch, welches Meta- (ehemals Facebook-) Gründer Mark Zuckerberg im Juli 2021 mit Investoren und Analysten geführt hat und in dem er – Stephenson folgend – das Metaverse als den virtuellen Nachfolger des Internets bezeichnete. Er präzisierte diese Definition jedoch noch, indem er vom Nachfolger des mobilen Internets sprach, das zu Stephensons Zeiten noch nicht absehbar war, und klar vermittelte, dass sich neben neuen Erfahrungen im Kontext von digitalen Ebenbildern auch neue wirtschaftliche Möglichkeiten auftun könnten.

Einige Zitate, die im Internet nach diesem Gespräch zu finden waren:

Think about things like community and creators as one, or digital commerce as a second, or building out the next set of computing platforms, like virtual and augmented reality, to give people that sense of presence.” 

“In many ways the metaverse is the ultimate expression of social technology.”

Auch wenn sich Zuckerberg hier also eines bereits längst bekannten Konzepts bedient, um einen Medienbuzz zu generieren, so beweist er doch Weitblick:

Zum einen ist ihm klar, dass sich das mobile Internet weiterentwickeln wird und sich diese Weiterentwicklung bereits zaghaft ankündigt. Daher ist es kein Wunder, dass er sich hier schnellstmöglich positionieren möchte. Doch er hat längst erkannt, dass seine Vision des ultimativen immersiven Virtual Reality-Metaversums noch längst nicht vor der Tür steht und damit zweidimensionalen, bildschirmgestützten Technologien sowie Augmented Reality eine bedeutende und längerfristige Rolle in der Transition zum VR-Metaverse zukommt. Damit distanziert er sich implizit (und vielleicht auch unbewusst) vom weitverbreiteten Irrglauben, dass Virtual Reality nur mit  VR-Brillen erlebbar sei und erkennt an, dass es unabhängig von einer bestimmten Hardware bei VR lediglich um Immersion und Interaktionsmöglichkeiten geht, die zu einem Gefühl der Präsenz in einer virtuellen Welt führen.

Allerdings hat er zum anderen auch erkannt, dass das Metaverse technisch gesehen einige Herausforderungen im Gepäck hat – so z.B. die Verfügbarkeit von Industriestandards. Dem trug er jüngst Rechnung als die Meta-Tochter Oculus (seit November 2021 vermarktet die früher unter dem Namen Facebook Inc. bekannte Firma Meta die VR-Brillen ebenfalls unter dem Namen Meta), mit der Zuckerberg das Metaverse und Social VR allen Menschen zugänglich zu machen gedenkt, ankündigte, vollständig auf die systemoffene Entwicklerschnittstelle OpenXR umzusatteln. Damit sollen die einzelnen Plattformen wie Meta (früher: Oculus), SteamVR und Co interoperabler werden als dies bisher der Fall ist.

Wie sich das Metaverse im Endeffekt entwickeln wird, wie offen und interoperabel es werden oder bleiben wird und wer zum Platzhirsch mutiert, wird die Zeit zeigen. Aktuell scheint es so, dass viele Menschen das Konzept des Metaverse noch nicht ganz verstanden haben, weil sie vom Metaverse der Firma XYZ sprechen, anstatt von einer Meta-Welt, die Teil des Metaverse werden könnte. Das Metaverse selbst ist – wie das Universum – einzigartig.

Der Grabenkampf um das Metaverse und seine Definition hat bereits direkt nach den ersten Berichten zu Mark Zuckerbergs Vision begonnen: so äußerte sich nicht nur John Hanke, der Gründer und CEO von Niantic (Pokémon Go) zu Wort und bezeichnete Zuckerbergs Vision als Albtraum, sondern es tauchten auch sofort mehrere sehr kritische Artikel über die kommerzielle Seite des Metaverse auf, wie z.B. in Wired. Es ist durchaus möglich, dass sich eine Firma wie Meta den Begriff versuchen wird, zu Marketingzwecken unter den Nagel zu reißen. Ob dies vor dem Hintergrund der ursprünglichen Offenheit der Idee gelingen wird, steht in den Sternen. Auf jeden Fall sollte man in den nächsten Jahren die Entwicklungen im Blick behalten, denn sie versprechen spannend zu werden – man bedenke nur, wie rasend schnell sich das mobile Internet in der letzten Dekade entwickelt und unser aller Leben massiv verändert hat.

In dieser (nahen) Zukunft werden wir sicherlich auch noch viel hören von NFTs, dem Internet of Things, der Blockchain-Technologie, Künstlicher Intelligenz, Extended Reality und dem interoperablen, vertrauenswürdigen und dezentralen Web3, das auch das Problem des Datenschutzes in einer vernetzten Welt endgültig lösen könnte. Nicht zuletzt die weitreichenden Veränderungen der Corona-Pandemie haben den Weg zum Metaverse geebnet. Denn wir sind heute in viele Bereichen mobiler und dezentraler denn je, wir arbeiten von zu Hause oder unterwegs und letztendlich könnte dadurch auch das Thema Barrierefreiheit und Themen wie Gesellschaft, Bildung und Arbeit eine Wende erfahren, sodass sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Hürden dadurch überwunden werden können.

Ich persönlich sehe auch nichts per se Verwerfliches daran, dass bestimmte Welten des Metaverse auch kommerzielle Ziele verfolgen könnten. Denn sonst wäre das Metaverse weder ein potenzieller Nachfolger des mobilen Internets, in dem wir heute schon unseren kommerziellen Bedürfnissen nachgehen, noch wäre es eine ernstzunehmende Erweiterung des Universums. Doch ist natürlich klar, dass hier auch die Gesetzgebung eine wichtige Rolle spielen und ggf. der gesellschaftliche Vertrag neu ausgehandelt werden muss.

Hier gibt es einen ausführlichen Artikel zum Metaverse von Matthew Ball: Link. Er hat übrigens zusammen mit Roundhill Investments auch schon einen Metaverse ETF auf den Markt gebracht.

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