Design Thinking in der Schule

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Wir leben in einer sehr komplexen Welt, in der es nicht mehr genügt, in der Schule bereits vorhandenes Wissen zu erlernen. Diese Idee der „Lernfabrik“ stammt aus dem Zeitalter der Industrialisierung und geht mit ihrer Betonung der akademischen Exzellenz auch auf Ideen der Aufklärung zurück. Heute geht es jedoch längst nicht mehr darum, konforme Arbeiter zu „produzieren“, sondern junge Menschen müssen lernen, kreativ und kollaborativ Probleme zu lösen, die wir noch gar nicht erahnen können. Dazu müssen sie die Verantwortung für ihr Lernen übernehmen und viele Kompetenzen erwerben, die eine offene Grundhaltung voraussetzen.

Da der Design Thinking-Prozess auf analytischen Fähigkeiten und im Team gelebte Kreativität beruht und wilde Ideen und das Scheitern zelebriert, könnte man annehmen, dass die Schule der letzte Ort ist, an dem Design Thinking seinen Platz haben könnte. Doch aufgrund des neuen gesellschaftlichen Kontexts birgt Design Thinking ein sehr großes Potenzial für das zukunftsorientierte Lernen im 21. Jahrhundert – wenn sich Erwachsene wie Lernende darauf einlassen – und stellt einen Paradigmenwechsel dar.

Natürlich werden dadurch Fächer- und gegebenenfalls auch Altersgrenzen überschritten, aber diese Art des Lernens birgt nicht nur enorme Potenziale für jedes einzelne Mitglied der Schulgemeinschaft, sondern auch ungeahnte Möglichkeiten der Schulentwicklung hin zu einem Ort der gemeinsam gelebten Vision. Somit ist Design Thinking auch ein Ansatz, der Schulentwicklungsprozessen zuträglich sein kann. Und auch auf gesamtgesellschaftliche Veränderungsprozesse kann Design Thinking in der Schule vorbereiten.

Lernen x Design Thinking: Umsetzung

Um Design Thinking ganz konkret in den Lernprozess zu integrieren, sollten einzelne Phasen klar voneinander getrennt werden.

Zuerst muss ein für die Lernenden relevantes Problem gemeinsam definiert und vor dem Hintergrund der betroffenen Zielgruppe betrachtet werden. Dann geht es darum, das Problem im Detail evidenzbasiert zu verstehen und mögliche Lösungen zu erarbeiten. Dies werden dann als Prototypen realisiert. Schließlich wird Feedback eingeholt. In allen Phasen muss die Offenheit bestehen, ein Scheitern anzuerkennen, es als Chance zu sehen und zu reflektieren und den Prozess an der Stelle wieder aufzunehmen, wo die Ursache für das Scheitern identifiziert wurde.

Natürlich muss hier sowohl vom herkömmlichen Stundenrhythmus einer Schule abgewichen und fächerverbindend gearbeitet werden.

Dieser Prozess fördert mit zunehmender Erfahrung 21st Century Skills wie die 6C (Communication, Collaboration, Creativity, Critical Thinking, Character, Citizenship), aber auch Kompetenzen wie die Problemlösefähigkeit (s. KMK-Strategie Bildung in der Digitalen Welt), Reflexionsvermögen und Resilienz.

Es gibt übrigens Anknüpfpunkte zwischen Design Thinking und Game-based Learning, da beide auf dem Prinzip der Herausforderungen basieren, die jeden Einzelnen individuell ansprechen.

Lernen x Design Thinking: Beispiele

Design Challenge 1: Wie soll unsere Schule in 5-10 Jahren aussehen?

Mit dem Ziel, eine Vision für den Medienentwicklungsplan zu entwickeln, durchlaufen Lehrkräfte, Eltern und Lernende in kleinen gemischten Gruppen einen Design Thinking-Prozess und erarbeiten mögliche Zukunftsbilder für den Medienentwicklungsplan. Dabei geht es darum, aktuelle Probleme zu erkennen und diese kreativ zu lösen. Die Prototypen werden dann vorgestellt und evaluiert. Zum Schluss wird ein Konsens aus den einzelnen Ideen und dem vom Bildungssystem vorgegebenen Rahmen gefunden, der als Vision für den weiteren Schulentwicklungsprozess dienen kann. U.a. können so nach Erhebung des Ist-Stands im Medienbereich kurz-, mittel- und langfristige Ziele und Maßnahmen beschlossen werden, anhand derer die Schule im Bereich der Medienbildung auf das Zukunftsbild hinarbeiten kann. Da die Schule sich nicht im luftleeren Raum befindet, sondern sie sich in einem komplexen gesellschaftlichen Umfeld bewegt, müssen nicht nur die Ziele evaluiert werden, sondern das Zukunftsbild muss auch regelmäßig weiterentwickelt werden.

Design Challenge 2: Wie können wir Partnerschulen aus verschiedenen Ländern gewinnen?

Lernende, Lehrkräfte verschiedener Fächer und ggf. Personen von der Stadtverwaltung oder Experten für interkulturelle Kontakte erarbeiten gemeinsam Ideen, wie sie Partnerschulen in verschiedenen Ländern für Deutschland und für ihre Stadt interessieren könnten. Hier können z.B. lokale Gegebenheiten eingebracht werden, aber auch persönliche Aspekte. Die Designteams entwerfen dann Prototypen für Werbekampagnen in verschiedenen (Sozialen) Medien, um auf sich aufmerksam zu machen und testen diese bevor ein oder zwei vielversprechende Ideen umgesetzt werden.

Design Challenge 3: Wie können wir Technologie nutzen, um effektiver zu lernen?

Zur Bewältigung dieser Design Challenge kann auf vielfältige außerschulische Kompetenzen und Kenntnisse von Lernenden zurückgegriffen werden, die einen ganz anderen Umgang mit Technologie gewohnt sind als dies bei den meisten Lehrkräften der Fall ist. Dann wird in Zusammenarbeit mit Lehrkräften und Experten überlegt, wie die pädagogischen Ziele anhand dieser Technologien erreicht werden könnten und wie man konkret vorgehen könnte. Die Prototypen werden getestet, evaluiert und optimiert. In einem weiteren Schritt können die Lehrkräfte diese Ergebnisse als Basis für den Medienentwicklungsplan der Schule oder auch für die Gestaltung von Lernprojekten zur Revision des Mediencurriculums nutzen.

Dieser Text basiert auf einem ebenfalls von mir geschriebenen Text, der unter einer CC BY-SA-Lizenz auf der Seite des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg veröffentlicht wurde. 

Bildquellen

  • Design Thinking: UX Indonesia | Unsplash
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